Kurt Tucholsky über seine eigene Schulzeit
aus: Kurt Tucholsky. Panter, Tiger und Co. Hamburg 1954. S. 123f
Ich denke nicht mit Hass an meine Schulzeit zurück - sie ist mir völlig gleichgültig geworden. Schultragödien haben wir nie gehabt, furchtbare Missstände auch nicht. Aber schlechten Unterricht. Es war ja nachher auf der Universität ähnlich - nur stand da der Unfähigkeit der Professoren, zu lehren, wenigstens oft ihr wissenschaftlicher Wert gegenüber. Aber ich denke ein bisschen traurig an die Schule zurück, heute, da ich den Wert der Zeit schätzen gelernt habe. Sie haben uns um die Zeit betrogen, um unsre Zeit und um unsre Jugend. Wir hatten keine Lehrer, wir hatten keine Führer, wir hatten Lehrbeamte, und nicht einmal gute...
Was wir wissen und können, das haben wir uns mit unsäglicher Mühe nachher allein beibringen müssen, nachher, als es zu spät war, wo das Gehirn nicht mehr so aufnahmefähig war wie damals. Vielleicht wäre doch manches besser gegangen mit einem guten Unterricht! Das ist nun vorbei. Geblieben sind wir und mit uns die üblen Wirkungen dieser lächerlichen Schulbildung, die keine war. Denn die deutsche Schule hat heute ein Ideal, das wohl das niedrigste von allen genannt werden muss; ihre Leitgedanken, ihre Idee, ihre Lehrgänge liegen zu unterst auf aller Menschen Entwicklungsstufe: sie ist militarisiert.